Was ist der Stundenverrechnungssatz?
Der Stundenverrechnungssatz ist der Preis, den Sie pro Arbeitsstunde Ihrem Kunden in Rechnung stellen. Er muss alle Kosten decken und einen angemessenen Gewinn erwirtschaften.
Wichtiger Unterschied:
Stundenlohn ≠ Stundenverrechnungssatz
Ihr Stundenlohn ist Ihr persönliches Gehalt. Der Verrechnungssatz muss deutlich höher sein, da er alle Betriebskosten, Steuern, Versicherungen und Gewinnmargen abdecken muss.
Die Formel für den Stundenverrechnungssatz
Grundformel:
Stundenverrechnungssatz = (Gesamtkosten + Gewinnmarge) / Produktive Stunden
Schritt 1: Jahreskosten ermitteln
Erfassen Sie alle Kosten Ihres Unternehmens pro Jahr:
Personalkosten
- Bruttolöhne/-gehälter
- Arbeitgeberanteile Sozialversicherung (ca. 20%)
- Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld
- Krankengeldzuschüsse
- Fortbildungskosten
Betriebskosten (fix)
- Miete/Pacht für Werkstatt/Büro
- Strom, Wasser, Heizung
- Telefon, Internet
- Versicherungen (Betriebshaftpflicht, etc.)
- KFZ-Kosten (Leasing, Versicherung, Steuer)
- Software-Lizenzen
- Buchhaltung, Steuerberater
Betriebskosten (variabel)
- Material und Verbrauchsmaterial
- Werkzeug und Maschinen (Abschreibungen)
- Reparaturen und Wartung
- Benzin/Diesel
- Marketing und Werbung
Sonstige Kosten
- Kammerbeiträge (IHK, HWK)
- Berufsgenossenschaft
- Altersvorsorge
- Rücklagen für Investitionen
Schritt 2: Produktive Stunden berechnen
Nicht jede Arbeitsstunde ist eine fakturierbare Stunde!
Realistische Rechnung für 1 Mitarbeiter:
Kalendertage: 365 Tage
− Wochenenden: 104 Tage
− Feiertage: 10 Tage
− Urlaub: 30 Tage
− Krankheit (Durchschnitt): 10 Tage
= 211 Arbeitstage
Arbeitsstunden pro Tag: 8 Stunden
211 Tage × 8 Std. = 1.688 Arbeitsstunden
Abzüge für nicht-produktive Zeit:
− Verwaltung, Angebote, Rechnungen: 15%
− Fahrtzeiten (nicht abrechenbar): 10%
− Materialbeschaffung: 5%
− Fortbildung, Besprechungen: 5%
= 35% Abzug
Produktive Stunden: 1.688 × 0,65 = 1.097 Stunden
Schritt 3: Gewinnmarge festlegen
Der Gewinn ist kein Luxus, sondern notwendig für:
- Investitionen in neue Maschinen/Werkzeuge
- Puffer für schlechte Zeiten
- Unternehmenswachstum
- Ihre Altersvorsorge
Empfohlene Gewinnmargen:
Handwerk: 10-20% auf die Kosten
IT-Dienstleister: 15-25%
Beratung: 20-30%
Praxis-Beispiel: Elektrikerbetrieb
Ausgangssituation
Elektrikerbetrieb mit 1 Meister und 2 Gesellen
Jahreskosten gesamt:
Personalkosten:
Meister (Brutto): 55.000€
2 Gesellen (je 40.000€): 80.000€
AG-Anteile Sozialvers. (20%): 27.000€
= 162.000€
Betriebskosten:
Werkstatt-Miete: 18.000€
3 Firmenfahrzeuge: 24.000€
Versicherungen: 8.000€
Strom, Wasser, Heizung: 6.000€
Werkzeug, Material (Vorrat): 15.000€
Buchhaltung, Steuerberater: 4.000€
Marketing: 5.000€
Sonstiges: 8.000€
= 88.000€
Gesamtkosten: 162.000€ + 88.000€ = 250.000€
Gewünschte Gewinnmarge: 15% → 37.500€
Zu erwirtschaften: 250.000€ + 37.500€ = 287.500€
Produktive Stunden:
3 Mitarbeiter × 1.097 Std. = 3.291 Stunden
Stundenverrechnungssatz:
287.500€ / 3.291 Std. = 87,35€/Stunde
Gerundet: 90€/Stunde (netto)
Branchenübersicht: Typische Stundensätze
| Branche | Durchschnittlicher Stundensatz (netto) | Spanne |
|---|---|---|
| Elektriker | 70-90€ | 55-120€ |
| Installateur/Heizung | 65-85€ | 50-110€ |
| Maler | 40-60€ | 35-80€ |
| Tischler/Schreiner | 55-75€ | 45-95€ |
| KFZ-Mechaniker | 80-120€ | 65-150€ |
| IT-Dienstleister | 80-150€ | 60-200€ |
| Unternehmensberater | 100-200€ | 80-300€ |
| Webdesigner | 70-120€ | 50-180€ |
| Architekt | 90-150€ | 70-250€ |
Stand: 2025, Preise netto. Regional können deutliche Unterschiede bestehen.
Häufige Kalkulationsfehler vermeiden
❌ Fehler 1: Zu niedrig kalkulieren
"Ich will günstig sein, um Aufträge zu bekommen"
→ Führt zu Verlusten! Sie arbeiten umsonst oder subventionieren Kunden.
✅ Richtig: Kalkulieren Sie realistisch und gewinnen Sie Kunden durch Qualität und Service, nicht durch Kampfpreise.
❌ Fehler 2: Nicht-produktive Zeit vergessen
"Ich arbeite 8 Stunden, also kann ich 8 Stunden abrechnen"
→ Verwaltung, Angebote, Fahrtzeiten kosten Zeit, bringen aber kein Geld!
✅ Richtig: Realistisch nur 60-70% der Arbeitszeit sind fakturierbar.
❌ Fehler 3: Gewinn vergessen
"Wenn ich meine Kosten decke, reicht das"
→ Ohne Gewinn keine Rücklagen, keine Investitionen, keine Zukunft!
✅ Richtig: Gewinn ist kein Luxus, sondern überlebensnotwendig. Mindestens 10-15% einplanen.
❌ Fehler 4: Versteckte Kosten übersehen
Oft vergessen:
- Altersvorsorge (Selbstständige müssen selbst vorsorgen!)
- Krankenversicherung (volle Beiträge als Selbstständiger)
- Rücklagen für Maschinenkauf
- Ausfallzeiten durch Krankheit
- Forderungsausfälle (Kunden zahlen nicht)
Stundenverrechnungssatz optimieren
1. Produktive Stunden erhöhen
- Digitalisierung: Digitale Rechnungen, Zeiterfassung-Apps
- Standardisierung: Vorlagen für Angebote nutzen
- Delegation: Verwaltung an Bürokraft auslagern
- Routenplanung: Fahrtzeiten minimieren
2. Kosten senken (ohne Qualitätsverlust)
- Versicherungen vergleichen: Alle 2-3 Jahre prüfen
- Material-Einkauf: Großhandel nutzen, Rahmenverträge
- Energie sparen: LED-Beleuchtung, moderne Geräte
- Home-Office: Werkstattgröße reduzieren
3. Preisgestaltung verbessern
- Pauschalpreise: Für Standardleistungen (reduziert Diskussionen)
- Zuschläge: Express-Service, Wochenende, Notdienst
- Mindestpauschale: Für Anfahrt und Aufwand unter 1 Stunde
- Staffelpreise: Rabatt ab bestimmter Stundenzahl
Preisverhandlungen professionell führen
Kunde: "Das ist mir zu teuer!"
❌ Schlechte Antwort:
"Okay, ich mache Ihnen 10% Rabatt."
✅ Gute Antwort:
"Ich verstehe. Lassen Sie mich Ihnen zeigen, was in meinem Preis alles enthalten ist: [Aufzählung]. Wo bekommen Sie das günstiger bei gleicher Qualität?"
Wert kommunizieren, nicht Preis
Argumentieren Sie mit Nutzen, nicht mit Stunden:
- ✅ "Nach der Reparatur haben Sie 10 Jahre Ruhe"
- ✅ "Sie sparen 30% Energiekosten"
- ✅ "Inklusive 2 Jahre Garantie"
- ✅ "Zertifizierter Fachbetrieb mit Versicherungsschutz"
Stundensatz regional anpassen
| Region | Faktor | Beispiel (Basis 70€) |
|---|---|---|
| Großstadt (München, Hamburg, Frankfurt) | +20-30% | 84-91€ |
| Mittelstadt (50.000-200.000 Einwohner) | ±0% | 70€ |
| Ländliche Region | −10-20% | 56-63€ |
Online-Rechner nutzen
Für eine präzise Kalkulation mit allen Kostenfaktoren nutzen Sie unseren kostenlosen Stundenverrechnungssatz-Rechner. Er berücksichtigt automatisch alle relevanten Posten und zeigt Ihnen Ihren optimalen Stundensatz.
Checkliste: Stundensatz richtig kalkulieren
✅ Vollständige Kalkulation:
- ☑ Alle Personalkosten inkl. Arbeitgeberanteile erfasst
- ☑ Fixkosten vollständig (Miete, Versicherungen, KFZ, etc.)
- ☑ Variable Kosten realistisch geschätzt
- ☑ Produktive Stunden konservativ berechnet (max. 70%)
- ☑ Gewinnmarge mind. 10-15% eingeplant
- ☑ Rücklagen für Investitionen berücksichtigt
- ☑ Altersvorsorge einkalkuliert
- ☑ Branchenvergleich durchgeführt
- ☑ Regionale Anpassung vorgenommen
Fazit: Professionelle Stundensatzkalkulation
Ein korrekt kalkulierter Stundenverrechnungssatz ist die Basis für ein profitables Unternehmen. Die wichtigsten Punkte:
- ✅ Vollständige Kostenerfassung: Nichts vergessen!
- ✅ Realistische Produktivzeit: Maximal 60-70% der Arbeitszeit
- ✅ Gewinnmarge einplanen: Mindestens 10-15%
- ✅ Branchenvergleich: Nicht zu billig, nicht zu teuer
- ✅ Regelmäßig prüfen: Jährlich Kosten und Stundensatz aktualisieren
- ✅ Selbstbewusst auftreten: Gute Arbeit hat ihren Preis!
Denken Sie daran: Ihr Stundensatz ist nicht verhandelbar – er ist das Ergebnis einer sorgfältigen Kalkulation. Wer zu billig arbeitet, gefährdet seine Existenz!
🧮 Stundenverrechnungssatz berechnen
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